Wadersloh (mw/bb). In der Sitzung des Hauptausschusses der Gemeinde Wadersloh am 18. September stand ein letztes Mal die Denkmaleigenschaft der Hofanlage an der Lippstädter Straße in Liesborn im Mittelpunkt der politischen Debatte im Ratsaal. Seit Ende 2023 ging es vor allem um die Frage, ob neben dem denkmalgeschützten Haupthaus auch die Neubauten der Anlage unter Schutz gestellt werden sollten. Bürgermeister Christian Thegelkamp hatte im Hauptausschuss ausdrücklich betont, dass eine rechtssichere Entscheidung notwendig sei und die Stellungnahme des LWL klar erscheine, unterstrich er auch, dass das Thema von der Verwaltung sorgfältig geprüft wurde. Während der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine klare Ablehnung hinsichtlich der Neubauten formulierte, gab es in der politischen Diskussion unterschiedliche Sichtweisen, insbesondere zwischen Fraktionsteilen der CDU und der Freien Wählergemeinschaft (FWG), die scharfe Kritik an dem den LWL-Gutachten äußerten.
Ablehnung durch den LWL und Kritik an der Neubauten-Bewertung
Der LWL hatte in seiner Stellungnahme vom 22. Juli 2024 argumentiert, dass die Neubauten der Hofanlage nicht die Kriterien für eine Denkmaleigenschaft erfüllen. Insbesondere wurde die künstlerische Gestaltung der Gebäude, wie etwa Runenschnitzereien, kritisch bewertet, da sie ein verfälschtes Bild der regionalen Geschichte vermitteln würden. Hingegen wurde das historische Haupthaus, ein bedeutender Vierständerbau aus dem 18. Jahrhundert, als schützenswert eingestuft. Vehement bestritt der Liesborner Architekt die Kritik an der künstlerischen Ausgestaltung seiner Arbeit. | Wir berichteten ausführlich (hier und hier).
Unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Fraktionen: Der Blick auf die Neubauten
Innerhalb der CDU-Fraktion zeichnete sich im Hauptausschuss eine differenzierte Haltung ab: Einige Mitglieder der Fraktion, darunter Dr. Ulrike Keitlinghaus, Alfons Wickenkamp und Klaus Grothues, vertraten eine Position, die der des LWL widersprach. Grothues hob hervor, dass die öffentliche Diskussion rund um die Neubauten in den letzten Monaten ein enormes Interesse geweckt habe: „Viele Privatpersonen, Vereine und selbst das Lokalfernsehen haben sich vor Ort ein Bild gemacht. Es gibt nach wie vor viele Besichtigungsanfragen. Das ist positiv und zeigt das große Interesse an dem dort Entstandenen. Viele Personen, die vor ihrem Besuch vehement für einen Abriss waren, änderten danach ihre Meinung. Das zeigt, man muss selbst in Augenschein genommen haben, was abseits und im Verborgenen errichtet wurde, um angemessen und abgewogen urteilen zu können. Insofern ist es sehr bedauerlich, dass der LWL, dessen Gutachten nun Grundlage für die Beschlussvorlage ist, seit 2021 nicht mehr vor Ort war“, erklärte Grothues.
Für Grothues und weitere CDU-Mitglieder sei es von Bedeutung, die Neubauten im Kontext ihrer handwerklichen und kulturellen Bedeutung zu sehen. Die CDU setze sich daher dafür ein, alternative Lösungen zu prüfen, um die Gebäude zu erhalten, anstatt sie abzureißen. „Wir setzen uns dafür ein, die entstandenen, einmaligen Gebäude zu erhalten. Sollte dies über die Unterschutzstellung nicht möglich sein, gibt es hoffentlich andere Wege, das umgangene Baurecht zu ‚heilen‘. Hier könnte man sich Auflagen oder Strafen vorstellen. Als ‚Strafe‘ und um dem Gesetz Genüge zu tun, den Abriss zu veranlassen, halten wir für absolut unverhältnismäßig. Ein Abriss würde die Gesellschaft und uns hier vor Ort ärmer machen. Das kann und darf nicht die Lösung sein. Gesetze und Behörden sind für die Menschen da, nicht gegen sie!!“
Rudolf Winkelhorst (FWG) fordert erweiterte Definition von Denkmalschutz
Auch innerhalb der Freien Wählergemeinschaft (FWG) gab es kritische Stimmen gegen das LWL-Gutachten, insbesondere von Rudolf Winkelhorst, der sich wiederholt für die Denkmalwürdigkeit der Neubauten aussprach. In seiner persönlichen Stellungnahme hob er hervor, dass die Gebäude, auch wenn sie nicht originalgetreu seien, dennoch die Lebensverhältnisse vergangener Jahrhunderte widerspiegeln würden. „Diese Neubauten könnten durchaus vor 200 bis 300 Jahren so gebaut worden sein. Sie stellen einen wichtigen Teil der kulturellen Identität dar, selbst wenn sie modern errichtet wurden“, argumentierte Winkelhorst.
Besonders kritisierte Winkelhorst die Vorgehensweise des LWL-Gutachters, der die Neubauten nicht persönlich vor Ort begutachtet habe. „Diese Vorgehensweise ist meiner Auffassung nach keine Grundlage für die Erstellung eines Gutachtens. Auch wenn einige Gebäude laut dem Gutachten nicht im Detail originalen Vorbildern entsprechen, so stellen sie meiner Auffassung nach dennoch die Lebensverhältnisse früherer Jahrhunderte dar. Bei dem Brennhaus und dem Backhaus wird die Originaltreue zu Vorbilden nicht ausdrücklich widerlegt“, erklärte er.
Kritisch hinterfragte er in diesem Kontext, ob nur der LWL eine Denkmalschutzwürdigkeit feststellen dürfe: „Fraglich ist, ob nur allein der LWL die Denkmalwürdigkeit festlegen darf. Eine Erweiterung der Grunddefinition des Denkmalschutzgesetzes auf die Kunst und Kulturgeschichte und die Reduzierung auf ein Anhörungsverfahren deutet an, dass der Gesetzgeber dies erweitert wissen will.“
Andrea Goß (FWG) ergänzte, dass die Mehrheit der FWG die Denkmalwürdigkeit der Nebenbauten nicht gesehen habe, aber in keinem Fall ein Abriss der Neubauten gewünscht sei. „Das ist nicht in unserem Sinn. Eine Lösung mit Bauamt sollte gefunden werden“, so Goß.
Im Hauptausschuss wurde die ursprüngliche Beschlussvorlage gesplittet und über die geplante Unterschutzstellung des historischen Haupthauses und der Nebengebäude separat abgestimmt. Erstes erfolgte einstimmig, zweiteres, die Nicht-Unterschutzstellung der Nachbauten, wurde mit 7 Befürwortungen, 4 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen deutlich differenter abgestimmt.
Kommentar: Zwischen Denkmalschutz, kulturellem Erbe und öffentlichem Interesse – Die schwere Suche nach einem Kompromiss
Die differenzierte Abstimmung im Hauptausschuss war absehbar. Während die Unterschutzstellung des historischen Haupthauses einstimmig beschlossen wurde, bleibt die Entscheidung über die Neubauten weiter umstritten. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die das Thema erregt hat, zeigt, dass die Auseinandersetzung noch lange nicht beendet ist, auch wenn die politische Diskussion jetzt abgeschlossen ist und das Bauamt in Warendorf über die Zukunft der Nebenbauten urteilen muss. Einen passenden Weg zu finden, der sowohl den gesetzlichen Vorgaben als auch den Interessen der Bevölkerung gerecht wird, scheint schwierig. Ein Abriss wäre für alle Beteiligten wohl der „worst case“. Zu viele Emotionen und handwerkliche Arbeit stecken in den Bauten.
Einen Kompromiss zu finden, der sowohl den Erhalt des historischen Haupthauses sichert (was durch die Unterschutzstellung jetzt gesichert sein sollte), als auch die Zukunft der umstrittenen Neubauten klärt, scheint ein Präzedenzfall zu sein. Baurecht versus Kultur (die vielfältig ausgeprägt sein kann). Offen bleibt in diesem Zusammenhang, warum der LWL die Hofanlage nicht vor Ort in Augenschein genommen hat, denn das war der zentrale Kritikpunkt von Teilen der CDU und FWG. Denn den „kulturellen“ Wert kann man am besten immer noch „live“ beurteilen. Und unter Umständen sollte der Gesetzgeber beim DenkmalschutzG nochmal nachbessern, um künftig klarere Fakten zu schaffen.
Archivfotos/Text/Kommentar: B. Brüggenthies