Wadersloh (mw/bb). Der Tag der Entscheidung rückt näher: Im Hauptausschuss am 18. September soll die Unterschutzstellung der Hofanlage an der Lippstädter Straße 43 letztmalig beraten werden. Nach Monaten hitziger Diskussionen war das kontroverse Thema unter dem Tagesordnungspunkt 12 bereits am Montag (26. August 2024) in der 18. Sitzung des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport Gegenstand einer weiteren politischen Beratung unter neuen Vorzeichen. Zwischenzeitlich hatte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ein deutliches Statement in Bezug auf die Neubauten der „historischen Hofanlage“ (MW berichtete) abgegeben.
Schon in den Monaten vor der Sitzungspause im Sommer hatte das komplexe Thema für erhebliche Diskussionen gesorgt. Im November 2023 wurde die Unterschutzstellung erstmals im Ausschuss thematisiert und zunächst zur weiteren Beratung an die Fraktionen verwiesen. Nach umfangreichen Beratungen, unter anderem mit dem Kreis Warendorf und dem LWL, wurde der Beschluss mehrmals vertagt, da weitere Gutachten eingeholt und Sachverhalte geklärt werden mussten. Schließlich gab der LWL im Juli 2024 eine klare Stellungnahme ab, in der er sich mehr als deutlich gegen die Unterschutzstellung der Neubauten auf dem Gelände aussprach, während das historische Haupthaus als denkmalwürdig erachtet wurde.
Politische Diskussion um Hofanlage
In der Sitzung des Ausschusses prallten am Montag erneut die Meinungen der Fraktionen aufeinander. Thorsten Gövert (CDU) eröffnete die Diskussion und brachte seinen Unmut über den Verlauf zum Ausdruck. Die große öffentliche Aufmerksamkeit sei rückblickend der falsche Weg gewesen. Gövert kritisierte zudem den „abwertenden Tonfall“ des LWL-Gutachtens.
Anne Claßen (SPD) zeigte sich indes erfreut über das klare Urteil des LWL, das ihrer Meinung nach die Diskussion auf den richtigen Weg gelenkt habe: „Nicht alles, was schön aussieht, ist auch denkmalschutzwürdig,“ so Claßen. Marco Zaremba (SPD) fasste es aus seiner Sicht ähnlich zusammen: „Die Rechtssprechung lässt es nicht zu, auch wenn es fantasievoll ausgestaltet ist. Da ist keine weitere Diskussion notwendig. Es ist kein Denkmal!“
Rüdiger Reineke (FDP) brachte seine Irritation über den „Sinneswandel“ der CDU zum Ausdruck brachte. Er forderte Klarheit darüber, ob es möglich sei, ein weiteres Gutachten einzuholen, um die Situation abschließend zu klären. Reineke bezeichnete die gesamte Angelegenheit als „haarige Geschichte“ und kritisierte die unklare Gesetzeslage (Anm. d. Red.: Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes), die zu diesen Problemen geführt habe.
Die Freie Wählergemeinschaft (FWG) nahm eine deutlichere Position ein. Hubert Funke verlas dazu eine ausführliche Stellungnahme seiner Fraktion. Funke hob darin hervor, dass man von Anfang an gegen die Entscheidung einer kompletten Unterschutzstellung der Hofanlage gewesen sei, diese auch offen kritisiert habe und man sich nun durch die Stellungnahme des LWL bestätigt fühle. „Es ist nur unserer Hartnäckigkeit zu verdanken, dass wir die Gemeinde vor eklatanten Fehleinschätzungen bewahren konnten,“ erklärte Funke. Die FWG betonte, dass es ihr nie um den Abriss der illegal errichteter Gebäude ging, sondern darum, zu verhindern, dass der Denkmalschutz missbraucht wird, um Bestandsschutz für illegale Bauten zu erlangen. Der Eigentümer müsse jetzt seine baurechtlichen Versäumnisse klären, um die Neubauten rechtlich zu sichern, so das Fazit der FWG.
Bürgermeister Christian Thegelkamp versuchte, die hitzige Debatte zu beruhigen, indem er erklärte, dass die Verwaltung aus der Stellungnahme des LWL gelernt habe. Er betonte, dass es „nicht verboten ist, im Rahmen eines Verfahrens dazuzulernen“ und dass das Ziel eine vernünftige Auseinandersetzung mit der Sache sei. Thegelkamp betonte, dass das „Spiel für den Moment beendet“ sei und dass die Entscheidung des LWL akzeptiert werden müsse. „Das war’s!“ – Das sei auch die eindeutige Einschätzung des Rechtsbeistands der Gemeindeverwaltung, so der Bürgermeister von Wadersloh.
Entscheidung bleibt umstritten: CDU sieht weiterhin kulturelle Bedeutung
Während die Mehrheit der Fraktionen das Ergebnis begrüßte, werden einige Fragen wohl offen bleiben. Besonders umstritten blieb die Frage, wie mit den Neubauten umzugehen sei, die nicht unter Denkmalschutz gestellt werden. Alexandra Flürenbock (CDU) äußerte ihre Bedenken über die möglichen Konsequenzen eines Abrisses und betonte, dass dies eine „Schande“ wäre, auch wenn der Eigentümer für die baurechtlichen Versäumnisse bestraft werden müsse.
Jürgen Rühl (CDU) räumte ein, dass auch er seine Meinung aufgrund der LWL-Stellungnahme geändert habe, betonte jedoch, dass die besonderen handwerklichen Fähigkeiten, die in den Neubauten zum Ausdruck kommen, anerkannt werden müssten. Auch betonte er, dass der Bezug von Kunst und Kultur im Gutachten ausführlicher hätte dargestellt werden können. „Ein Abriss wäre ganz schlimm“, so Rühl, der die kulturelle Bedeutung der Bauten hervorhob, auch wenn sie nicht den Kriterien für den Denkmalschutz entsprachen. Er kündigte vor der Abstimmung an, den Beschlussvorschlag nicht mittragen zu wollen.
„Ein Abriss wäre ganz schlimm.“
Jürgen Rühl (CDU)
Am Ende der hitzigen Debatte kam es zur Abstimmung über den Beschlussvorschlag der Gemeindeverwaltung, der vorsieht, ausschließlich das historische Haupthaus unter Denkmalschutz zu stellen. Mit 10 Stimmen dafür, 2 Gegenstimmen und einer Enthaltung wurde der Vorschlag angenommen. Die Entscheidung in Wadersloh markiert das vorläufige Ende einer langen und kontroversen Debatte. Während das historische Haupthaus der Hofanlage an der Lippstädter Straße nun unter Denkmalschutz gestellt werden soll, bleiben die Nachbauten von dieser Entscheidung ausgeschlossen. Die finale politische Beratung auf Gemeindeebene zur Unterschutzstellung des historischen Vierständerhauses in Liesborn erfolgt in der Sitzung des Hauptausschusses im September. Baurechtlich obliegt die Entscheidung über die weitere Zukunft der Neubauten dem Bauamt des Kreises Warendorf.
Erstgutacher hält an historischer Bedeutsamkeit und Denkmalwürdigkeit der Hofanlage fest
Zu dem Gutachten des LWL und der nun erfolgten Beratung im Rathaus äußerte sich auf Anfrage von MW der Verfasser des ursprünglichen Gutachtens zur Hofanlage, Wolf Bredow (IgB Rheda Wiedenbrück): „Es war nicht zu erwarten, dass die LWL Denkmalpflege die Unterschutzstellung der Hofstelle befürwortet. Sie ist eine Institution die den Denkmalbegriff sehr eng auslegt oder sogar auslegen muss. Nachbauten können aus ihrer Sicht nie Denkmäler sein.“
Die aktuelle Gesetzeslage für die Unterschutzstellung von Denkmälern sieht Bredow als verbesserungswürdig an: „Fraglich ist, ob nur allein der LWL die Denkmalwürdigkeit festlegen darf. Die Erweiterung der Grunddefinition des Denkmalschutzgesetzes auf die ‚Kultur- und Kunstgeschichte‘ und die Reduzierung auf ein Anhörungsverfahren deutet an, dass der Gesetzgeber dies erweitert wissen will.“
Als Experte für Bauernhäuser vertritt Bredow in einigen Punkten eine gegensätzliche Meinung als der Landschaftsverband LWL. Als diskussionswürdig empfindet er in diesem Zusammenhang einen Ablehnungsgrund, der auf eine vermeintlichen Bekanntheitsgrad fußt: „Natürlich ist der Architekt und Erbauer nicht international oder national bekannt. Aber die lokale Bekanntheit als Ablehnungsgrund heranzuziehen ist nicht in Ordnung“, meint Bredow.
Experten aus Reihen des institutionellen Denkmalschutzes teilten seine Meinung, dass Zweiständerhäuser vor 200-300 Jahren durchaus in dem Stil wie die Neubauten der Hofanlage in Liesborn erbaut worden seien: „Die Gebäude einfach als Fantasieobjekte zu bezeichnen ist nicht in Ordnung. Gebäude sind von je her von Menschen individuell verziert worden. Individuellen Verzierungen als Grund zu Ablehnung heranzuziehen ist ebenfalls nicht in Ordnung. Sonst müssten diversen Denkmälern der Status aberkannt werden“, sagt Bredow: „Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die ‚Nachbauten’“‘ Lippstädter Str. 43 historisch bedeutsam und sogar, wie von der Gemeinde mal angedacht, denkmalwürdig sind.“
Text, Archivfotos: B. Brüggenthies;
zus. Quelle: Ausschusssitzung vom 26. August 2024,
Gespräch mit Wolf Bredow am 27. August 2024