Münster / Wadersloh (mw/bb). Im Regierungsbezirk Münster hat die Bezirksregierung in dieser Woche die sogenannten Abordnungen von Lehrkräften für das kommende Schuljahr 2024/25 abgeschlossen. Die Maßnahme, die der Sicherstellung einer gleichmäßigen Unterrichtsversorgung dienen soll, hat auch in Wadersloh zu Unmut bei den betroffenen Eltern geführt. Im Grundschulverbund Wadersloh sind drei Lehrkräfte von einer Abordnung betroffen. Die Zuständigkeit liegt weder bei der Gemeindeverwaltung Wadersloh, noch beim Kreisschulamt in Warendorf, sondern in Münster bei der Bezirksregierung.
Was ist der Hintergrund der Abordnungen?
Die Bezirksregierung hat sich zum Ziel gesetzt, allen Schulkindern im Bezirk gleiche Bildungschancen zu bieten. Dies erfordert aufgrund der ungleich verteilten Personalausstattung Abordnungen von Lehrkräften, insbesondere in die Emscher-Lippe-Region, die besonders unter einem Mangel an Lehrkräften leidet. Im Vorfeld – erste Infoveranstaltungen fanden vor Ostern statt – bat die Bezirksregierung darum, dass sich Lehrkräfte freiwillig dazu melden. Nach Abschluss des Verfahrens stehen nun insgesamt 256 Lehrkräfte vor einem vorübergehenden Wechsel ihrer Dienststelle. Davon werden 137 Grundschullehrkräfte und 119 Gymnasiallehrkräfte an Schulen in den Regionen Bottrop, Gelsenkirchen und Recklinghausen abgeordnet. Final festgelegt wurden die Abordnungen in Einzelfallentscheidungen, wie aus einer Pressemitteilung der Bezirksregierung vom 3. Juli hervorgeht.
Die Bezirksregierung in Münster betont, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um eine gerechte Unterrichtsversorgung sicherzustellen und alle Kinder im Regierungsbezirk die gleichen Bildungschancen zu ermöglichen. „Herzlichen Dank an alle unterstützenden Lehrkräfte sowohl von den Grundschulen als auch von den Gymnasien. Uns ist bewusst, dass die Abordnungen auch mit Belastungen verbunden sind. Daher freuen wir uns umso mehr über die Bereitschaft, in den unterversorgten Regionen zu unterstützen“, erklärte Matthias Schmied, Leiter der Schulabteilung der Bezirksregierung Münster.
Abordnungen sorgen auch in Wadersloh für Unverständnis bei den Eltern
Die zitierten „Belastungen“ betreffen auch die Grundschulen in der Gemeinde Wadersloh. Trotz der Erklärungen und dem ausdrücklichen Dank an die freiwilligen Lehrkräfte hat die Ankündigung der Abordnungen zu erheblichem Unmut bei den Eltern geführt. Eine Mitteilung der Elternvertreter/Schulpflegschaft des Grundschulverbunds Wadersloh verdeutlicht die Stimmungslage: „Wir stehen in einem konstruktiven Austausch mit dem Schulamt „, wurden die Eltern der Grundschulkinder informiert.
Besonders betroffen zeigte sich nach Angaben der Eltern eine der betroffenen Lehrkräfte, die in einem Eltern-Brief mitteilen ließ, dass sie ab dem 1. August 2024 an einer anderen Schule unterrichten muss. Die vorübergehenden Wechsel der Dienststellen können bis zu zwei Jahre andauern und erfolgen durch eine Bewertung der Schulaufsichtsbehörde. Eine Möglichkeit, dies Abordnung zu verhindert gestalte sich demnach als schwierig.
In mehreren Leserbriefen von Eltern, die die MW-Redaktion erreichten, wird der Unmut deutlich. Sarah-Jane Kammermann schreibt: „Eltern und Schüler erfahren nur wenige Tage zuvor, dass der Klassenlehrer abgeordnet wurde und die Schule verlassen muss. Das versetzt alle in einen Schock, weil niemand damit gerechnet und es keine Übergangszeit gibt, in der man sich mit dem Gedanken schon mal anfreunden kann.“ Sie kritisiert insbesondere die Auswirkungen auf jüngere Schüler, die sich gerade erst an ihre Lehrer gewöhnt haben.
Christoph Niehüser betont in seinem Leserbrief: „Wir Eltern und unsere Kinder werden genau eine Woche vor Schuljahresende vor vollendete Tatsachen gestellt! Das macht uns fassungslos und traurig. Kinder, die sich seit einem Jahr auf ihre Klassenfahrt mit ihrem Klassenlehrer freuen, wird ein Höhepunkt ihres Schullebens einfach so genommen. Ihre wichtigste Bezugsperson in der Schule, der sie am besten kennt, muss gehen und das nur ein Jahr vor ihrem Schulwechsel!“
Der Lehrermangel müsse anders gelöst werden, ist sich der Wadersloher sicher: „Für Schulen, die einen deutlichen Mangel an Lehrkräften haben, müssen Lösungen gefunden werden, da sind wir uns alle einig. Aber nicht so! Etablierte Lehrer/innen, die seit Jahren in Wadersloh unterrichten, werden für zwei Jahre abgeordnet und neue Lehrkräfte werden in Wadersloh eingestellt, damit hier keine Unterversorgung entsteht. Und nach zwei Jahren dreht sich das „Lehrerkarussell“ dann wieder rückwärts?“
Eltern bereiten „stillen Protest“ in Wadersloh vor
Die Abordnungen von Lehrkräften sind ein kontroverses Thema, das für Diskussionen sorgt. Während die Bezirksregierung in Münster die Maßnahmen als notwendigen Schritt zur Sicherstellung der Bildungsgerechtigkeit sieht, empfinden viele Eltern und Schüler die Abordnungen als unnötigen Eingriff in den Schulalltag. Um ihren Unmut zu äußern, werden Eltern und Kinder am Donnerstagnachmittag (4. Juli) einen „Stillen Protest“ auf dem Schulhof der Grundschule in Wadersloh durchführen. Dabei wollen sie mit einem Banner ihr Unverständnis über die Abordnungen zum Ausdruck bringen.
Anm. d. Red.: Die Gemeindeverwaltung Wadersloh und die Kreisverwaltung Warendorf äußerten sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang und verwiesen auf die zuständige Bezirksregierung in Münster. Auch Neuigkeiten in Bezug auf die Neubesetzung der vakanten Schulleitungsstelle des Grundschulverbunds Wadersloh konnten noch nicht verkündet werden: Bürgermeister Christian Thegelkamp berichtete hierzu in der Ratssitzung am Mittwochabend (3. Juli) und bedauerte, dass es bei der Personalie noch nichts Neues gibt.
Update vom 04. Juli: Stiller Protest auf dem Schulhof – Auch bisherige kommissarische Schulleitung ist nach den Ferien weg
Am frühen Donnerstagnachmittag fanden sich rund 25 Eltern und Schulkinder der Klassen 1+3 auf dem Grundschulhof in Wadersloh ein, um still gegen die Abordnungen der drei Lehrkräfte zu protestieren. Auf selbstgemalten Schildern und einem XXL-Bauzannbanner machten sie ihrem Ärger Luft. „LehrerInnen sind keine Spielfiguren“, „Das ist ungerecht“ oder „Verlassen zu werden tut weh“ ist zu lesen.
Die Eltern bemämgeln neben der Abordnung aber vor allem auch die Kommunikation. Das Schulamt habe sich erst in der letzten Schuljahreswoche geäußert. Ungewöhnlich wortkarg sind auch die offiziellen Stellen. Offenbar wurde das Schulpersonal angewiesen, keine Stellungnahmen abzugeben. Rathaus und Kreisverwaltung verweisen auf Münster zur Bezirksregierung.
Auf neue Gesichter muss man sich nach den Sommerferien auch bei der (kommissarischen) Schulleitung einstellen. Das derzeitige Schulleitungsteam (Frau Kemper, Frau Schramm und Frau Leik-Wilczek) wird ebenfalls (planmäßig) abgeordnet. Eine entsprechende Info wurde auf der letzten Schulkonferenz/Schulpflegschaftssitzung mitgeteilt. Ein neues Team werde derzeit eingearbeitet, heißt es aus der Schulpflegschaft.
Die Leserbriefe im Wortlaut:
Leserbrief von Sarah-Jane Kammermann (Wadersloh)
Am 28.06.2024, also genau 7 Tage vor Sommerferienbeginn, erreichte die Eltern aus drei Klassen des GSV Wadersloh die Nachricht, dass die Klassenlehrer nach den Sommerferien nicht mehr da sein werden. Der Grund dafür ist das Handlungskonzept des Schulministeriums.
Die Bezirksregierung versucht an allen Schulen im Bezirk den Schülern die gleichen Bildungschancen zu bieten. Da in bestimmten Regionen ausgebildete Grundschullehrer fehlen, werden diese aus anderen Regionen abgeordnet, um dort vorübergehend (in diesem Fall: 2 Jahre) den Personalmangel auszugleichen und den Bildungslücken entgegenzuwirken.
In der Theorie scheint das vielleicht eine Lösungsmöglichkeit zu sein, aber in der Praxis sieht es ganz anders aus.
Eltern und Schüler erfahren nur wenige Tage zuvor, dass der Klassenlehrer abgeordnet wurde und die Schule verlassen muss. Das versetzt alle in einen Schock, weil niemand damit gerechnet und es keine Übergangszeit gibt, in der man sich mit dem Gedanken schon mal anfreunden kann.
Hinzu kommt, dass zwei 1. Klassen betroffen sind. Die Jüngsten auf der Schule haben in dem Jahr so wahnsinnig viel Neues erlebt, mussten sich aus der gewohnten Kindergartenumgebung an das Schulleben gewöhnen, zu neuen Bezugsperson Vertrauen aufbauen und neue Regeln und Abläufe kennenlernen. Nun werden diesen Kindern die Lehrer genommen und der Bindungsausbau zur neuen Lehrkraft beginnt von vorne.
Ähnlich ist es auch für die jetzigen 3. Klasse, aus der ebenfalls der Klassenlehrer abgeordnet wurde. Das 4. Schuljahr ist ein wichtiges Schuljahr. Hier wird entschieden, auf welche weiterführende Schule die Kinder kommen. Es gibt Kinder, die öffnen sich nicht sofort und brauchen ihre Zeit, bis sie sich an einen neuen Lehrer gewöhnt haben. Wie soll der Lehrer diesen Schüler innerhalb weniger Monate richtig einschätzen können?
Einen Monat nach Schulbeginn mit dem neuen Klassenlehrer fährt die Klasse auf Klassenfahrt mit einer „fremden“ Person…
Aufgrund der Abordnung von drei Lehrkräften werden diese Lücken mit Lehrern aus anderen Schulformen aufgefüllt. Weiß ein Gymnasiallehrer, wie er ein Grundschulkind erreicht? Unterscheidet sich die Didaktik in Grundschulen nicht von den weiterführenden Schulen?
Den Eltern ist klar, dass auch anderen Schülern eine gute Bildung zusteht. Nichtsdestotrotz sind viele Eltern über das Handlungskonzept des Schulministeriums sehr unglücklich, weil diese Vorgehensweise auf Kosten deren Kinder geht und das Gefühl vermittelt wird, dass ihre Kinder dafür bezahlen müssen, dass es zu wenig Grundschullehrer gibt.
Leserbrief von Christoph Niehüser (Wadersloh)
Drei erfahrene Lehrer/innen müssen die Schule nach den Sommerferien verlassen, um Lücken an anderen Schulen zu schließen. Wir Eltern und unsere Kinder werden genau eine Woche vor Schuljahresende vor vollendete Tatsachen gestellt! Das macht uns fassungslos und traurig. Kinder, die sich seit einem Jahr auf ihre Klassenfahrt mit ihrem Klassenlehrer freuen, wird ein Höhepunkt ihres Schullebens einfach so genommen. Ihre wichtigste Bezugsperson in der Schule, der sie am besten kennt, muss gehen und dass nur ein Jahr vor ihrem Schulwechsel!
Für Schulen, die einen deutlichen Mangel an Lehrkräften haben, müssen Lösungen gefunden werden, da sind wir uns alle einig. Aber nicht so! Etablierte Lehrer/innen, die seit Jahren in Wadersloh unterrichten, werden für zwei Jahre abgeordnet und neue Lehrkräfte werden in Wadersloh eingestellt, damit hier keine Unterversorgung entsteht. Und nach zwei Jahren dreht sich das „Lehrerkarussell“ dann wieder rückwärts? Wo ist da der Sinn? Ein Standort wie Wadersloh mit seinem Grundschulverbund braucht Stabilität. Aber davon kann keine Rede sein. Der Bezirksregierung gelingt es seit Jahren nicht eine Schulleitung langfristig an die Schule zu binden, stattdessen wird es nach den Sommerferien wieder eine neue kommissarische Schulleitung geben. Und dann noch die Abordnungen! Mehr Unruhe geht nicht. Und wer muss darunter leiden? Unsere Kinder!
Foto/Text: B. Brüggenthies
#Transparenz: In einer früheren Textfassung wurden Eltern zitiert, die die späte Info über die neuen KlassenlehrerInnen bemängelten. Diese Info wurde seitens der Schulleitung unmittelbar vor dem Pressetermin schriftlich mitgeteilt. Somit wurde diese Textpassage entfernt.