Liesborn (mw). Im Mai 2023 kehrte mit dem Liesborner Evangeliar eine der ältesten, vollständig erhaltenen, Handschriften Westfalens nach einer 200-jährigen Weltreise an ihren ursprünglichen Bestimmungsort zurück. Die eigens dafür aufwendig neu konzipierte Dauerausstellung ist seitdem zu einem Besuchermagneten im Münsterland avanciert. Die vor 1.000 Jahren dem Kloster durch seine Äbtissin Berthildis gestiftete Handschrift ist der Blickfang in einem aus 22 Stahlplatten bestehenden Kubus und wird flankiert von zwei mittelalterlichen Kruzifixen.
Nun legt der Kreisheimat- und Geschichtsverein Beckum-Warendorf (KHGV) mit „Die Welt des Evangeliars“ einen Sammelband vor, der auf 216 reich bebilderten Seiten die Hintergründe der Entstehung des Frauenstifts Liesborn ebenso beleuchtet, wie Form und Inhalt der wertvollen Handschrift. Die acht versammelten Aufsätze sind das Ergebnis einer Tagung, die im Oktober 2022 ein detailliertes Bild der Frühzeit des Klosters zeichnete und sich intensiv mit den Besonderheiten des Evangeliars – Widmungsgedicht, Pater-Noster-Diagramm und Schreibervermerk – beschäftigte.
Die von Julia von Ditfurth, Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, und Dr. Sebastian Steinbach, Museumsleiter in Liesborn, organisierte Tagung verfolgte das Ziel, kunsthistorische und mediävistische Aspekte aufeinander zu beziehen und dadurch der Frage nachzugehen, welche Bedeutung dem Evangeliar als Quelle für die Erforschung der Geschichte des Frauenstifts zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert zukommt. „Wir haben den Tagungsband sehr gerne in unsere Reihe Quellen und Forschungen zur Geschichte des Kreises Warendorf aufgenommen“, erläutert KHGV-Vorsitzender und Kreisarchivar Dr. Knut Langewand, „hebt er doch die bisherigen Erkenntnisse auf einen modernen Forschungsstand und schließt damit eine Publikationslücke“. Dementsprechend lesen sich auch die Namen der Beitragenden wie ein „Who is Who“ der Expertinnen und Experten zur Geschichte des Frühmittelalters und der Klosterkultur sowie der Untersuchung mittelalterlicher Handschriften in Deutschland.
Doch der Band beantwortet nicht nur Fragen, er wirft auch eine Reihe neuer Fragestellungen zur Abtei auf. Da passt es gut, dass die Publikation den Untertitel trägt „Liesborner Abteigespräche zur Kunst- und Kulturgeschichte, Band 1“. Es ist nämlich geplant, die Veröffentlichungsreihe zur Geschichte des Klosters sowie des Museums und seiner Sammlungen auch in Zukunft fortzusetzen. „Augenblicklich überlegen wir an einer Tagung, die das Spätmittelalter in der Liesborner Abtei fokussiert“, lässt sich Museumsleiter Dr. Sebastian Steinbach schon einmal in die Karten schauen, „und auch diese Ergebnisse sollen anschließend wieder einer breiten Öffentlichkeit in Buchform zugänglich gemacht werden“.
Quelle: Kreisheimat- und Geschichtsverein Beckum-WAF