Liesborn (mw/bb). Dieser Ortstermin glich einer Zeitreise: Mitten im Nirgendwo zwischen Liesborn und Cappel an der Lippstädter Straße befindet sich am Rande des „Nonnenholzes“ eine nahezu komplette, einzigartige „historische“ Hofanlage. Das Besondere: Nur das Haupthaus stammt aus längst vergangener Zeit. Die weiteren Gebäude hat der Liesborner Architekt Norbert Heckenkemper seit den 1990er-Jahren errichtet und dabei die historische Bauweise aufgegriffen. Eine rege und kontrovers geführte Debatte über die Zukunft der Hofanlage entbrannte im Anschluss an den Ortstermin im Rathaus: Die Kontroverse drehte sich dabei vor allem um die Frage, ob neben dem Haupthaus auch die Nebengebäude unter Denkmalschutz gestellt werden sollten. Das Problem: Für die lag seinerzeit keine Baugenehmigung vor.
Einzigartige Darstellung der Lebens-, Arbeits- und Produktionsverhältnisse im südöstlichen Münsterland des 18. Jahrhunderts
Auslöser der Debatte war der Antrag zur Unterschutzstellung, eingereicht durch den Pächter im Namen der Eigentümer. Die historische Relevanz des Haupthauses wurde von der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Münster bestätigt. Die Fachleute hoben die Bedeutung des Hauptgebäudes – einem Vierständerhaus – hervor, insbesondere seine Rolle bei der Darstellung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse im südöstlichen Münsterland des 18. Jahrhunderts. Die umfassende Sanierung seit den 1990er Jahren, die das äußere Erscheinungsbild und die Innenausstattung betraf, wurde als größtenteils denkmalverträglich eingestuft, wobei neuere Zierelemente als nicht beitragend zum Denkmalwert angesehen wurden. In den neu errichteten Nebengebäuden sah die LWL-Denkmalpflege jedoch keine denkmalwürdigen Elemente.
Gutachten bescheinigt außergewöhnliche Qualität der historischen Nachbauten
Die vorgeschlagene Beschlussvorlage der Gemeinde Wadersloh umfasste die Unterschutzstellung der gesamten Hofanlage, einschließlich des Haupthauses und aller Nebengebäude, entsprechend dem Denkmalschutzgesetz. Diese ganzheitliche Betrachtung fand Unterstützung in der Stellungnahme von Wolf Bredow von der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB). Bredow betonte die kulturhistorische Bedeutung der gesamten Anlage, insbesondere der Nebengebäude, die als originalgetreue Nachbauten historischer Hofgebäude gelten. Er hob die außergewöhnliche Qualität und die regionale Authentizität der handwerklichen Ausführung hervor und wies darauf hin, dass diese Gebäude einzigartig in Deutschland seien. Ihre Bedeutung ergibt sich nicht nur aus ihrer historischen Nachbildung, sondern auch aus ihrem kulturlandschafts- und erlebnispädagogischen Wert für die Gemeinde Wadersloh.
Der Ausschussvorsitzende Jürgen Rühl (CDU) betonte die Einzigartigkeit der Anlage und die Wichtigkeit, dass der Ausschuss sich vor Ort ein Bild von den beeindruckenden Arbeiten machen konnte. Klaus Grothues (CDU) erinnerte an vergangene Denkmalentscheidungen der Gemeinde Wadersloh und sah in dem Antrag eine Chance, auch selbst eine positive Entscheidung für ein Denkmal zu treffen. Er lobte, dass die Initiative von den Eigentümern ausging und befürwortete den Schutz der gesamten Anlage. Andreas Tönnies von der Gemeindeverwaltung erläuterte kurz die Gesamtstruktur der Zuständigkeiten in Bezug auf den Denkmalschutz.
Baurecht und Denkmalschutz: SPD und FWG haben Bedenken – Entscheidung fällt erst im Hauptausschuss am 5. Dezember
Anne Claßen (SPD) brachte große Bedenken hinsichtlich der baurechtlichen Aspekte und der Denkmalwürdigkeit der Nebengebäude vor. Claßen betonte, dass man Baurecht und Denkmalschutz nicht voneinander trennen könne und warnte davor, einen Präzedenzfall zu schaffen. Hubert Funke (FWG) stimmte ihr zu und äußerte zusätzlich Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf übergeordnete Behörden. Er erinnerte daran, dass die Nebengebäude laut LWL-Denkmalpflege nicht denkmalwürdig seien und sprach sich für eine Vertagung der Entscheidung aus. „Der Architekt kann was. Handwerklich ist das alles super“, lobte Funke die Ausführung der Arbeit. „Ich habe keine Beanstandung, was das Haupthaus angeht, aber die Nebengebäude sind ein Problem“, so Funke. Sein Wunsch: Die Gemeinde solle das nochmal überprüfen. „Was ist, wenn das alles abgerissen werden müsste oder man alternativ Ausgleichsflächen schaffen muss“, fragte der FWG-Politiker in die Runde. Alexandra Essel (FWG) fragte, welchen Einfluss es auf die Außenwirkung haben wird, wenn die gesamte Anlage unter Denkmalschutz gestellt würde. Auch Andrea Goß (FWG) wünschte sich eine Vertagung. „Ich tue mich schwer mit einer Entscheidung. Da brauchen wir noch Beratungsbedarf.“
Bürgermeister Christian Thegelkamp wies darauf hin, dass der Ablauf definiert wurde. Trotz des „divergenten Meinungsspektrums“ sei es nun Aufgabe, sich mit der Sachlage zu beschäftigen. Diese sei die Entscheidung über den Denkmalwert des Kötterhauses. Noch mehr könne man nicht prüfen. „Die Auswirkungen entscheiden sich nicht in Wadersloh“, machte Thegelkamp deutlich. Bezüglich des Baurechts sei das Kreisbauamt zuständig. Er warb daher um die Trennung des Denkmalschutzes und der baulichen Rechtmäßigkeit.
Die Diskussion rund um die Hofanlage zeigte deutlich die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ratsmitgliedern. Schlussendlich stimmten 11 Ratsmitglieder für eine Vertagung (mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung) der Entscheidung und somit für eine weitere Beratung im Hauptausschuss am 5. Dezember.
Fotos/Text: B. Brüggenthies
Kommentar: Der Wert historischer Gebäude ist unbezahlbar für unsere Zukunft
Die Debatte um die Hofanlage an der Lippstädter Straße ist wichtig! Gebäude, die Jahrhunderte überdauern, sind mehr als nur stumme Zeugen der Geschichte; sie sind lebendige Lehrbücher, die uns Einblicke in vergangene Lebensweisen, Handwerkstechniken und kulturelle Werte bieten. Das Museum Abtei Liesborn und die Rückkehr des Evangeliars führt uns das tagtäglich eindrucksvoll vor Augen.
Nur wenige Kilometer entfernt könnte man Geschichte nacherleben. Die Architektur sowie die Art und Weise, wie die Hofanlage die münsterländischen Arbeits- und Produktionsverhältnisse des 18. Jahrhunderts widerspiegelt, erzählen uns Geschichten, die in keinem Buch zu finden sind. Die Neubauten, die der Architekt Norbert Heckenkemper seit den 1990er Jahren errichtet hat, mögen nicht original aus der Vergangenheit stammen, doch ihre Konstruktion nach historischen Vorbildern ist ein Beweis für die anhaltende Relevanz historischer Bauweisen und zeigen uns unsere geschichtlichen Wurzeln in Westfalen. Und zwar nicht auf einem Bildschirm, sondern in der Realität.
Die Entscheidung, ob ein Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wird oder nicht, sollte aber nicht nur den kulturellen Wert berücksichtigen, sondern auch die baurechtlichen Überlegungen miteinbeziehen. Der Gemeinderat hat hier eine besondere Verantwortung. Dass man sich die Entscheidung nicht leicht machen kann, liegt auf der Hand: So etwas wie die Hofanlage in Liesborn gibt es vermutlich in ganz Deutschland kein zweites Mal. Nun heißt es abwarten, welche Entscheidung im Hauptausschuss getroffen wird.
Kommentar von B. Brüggenthies