Wadersloh (mw/bb). Zufrieden blickt Wilfried Müller, Geschäftsführer des Schulträgers, von seiner Bürotür im ersten Obergeschoss auf die Schulaula des Gymnasiums Johanneum. Dort türmen sich derzeit Deckenplatten, Regale und Werkzeuge und stehen nicht nur sinnbildlich für einen großen Umbruch der Schule an der Liesborner Straße. Bei einer der größten Umbaumaßnahmen der letzten Jahrzehnte werden nach und nach die Klassen- und Fachräume grundlegend modernisiert. Die Weichenstellung für die Zukunft hat schon vor Jahren begonnen. Doch wer hätte sich je träumen lassen, dass die Schultafeln endgültig aus den Klassenzimmern verbannt werden?
Schon beim Betreten des Schulgebäudes atmet man den franziskanischen Geist des Schulpatrons. Der Heilige Franziskus aus Bronze wacht mit neugierigem Blick dem emsigen Umbautreiben der unzähligen Bauarbeiter und Installateuren. Nachhaltigkeit ist das oberste Gebot des umfassenden Sanierungsprojektes, das coronabedingt um einige Jahre verschoben werden musste und nun final umgesetzt wird. Da nur die Sommerferien einen ausreichend langen Zeitraum für die Maßnahmen bieten, war eine frühere Umsetzung nicht möglich. „Im Grunde hat uns das aber sogar noch in die Karten gespielt. Denn so konnten wir die ursprünglichen Ideen für die Klassenräume noch verbessern. Nach fast 60 Jahren war die Renovierung trotz der guten Grundsubstanz auch dringend nötig“, blickt Wilfried Müller zurück.
In einem der künftigen Klassenräume der neuen Anfangsklassen, die im August auf die Schule wechseln, ist noch eine der letzten Schultafeln zu sehen. „Schöne Ferien“ ist mit Kreide auf den grünen Grund geschrieben. Die Tafeln sind wohl für viele das Synonym für Schule. Wer erinnert sich noch an den Tafeldienst zu Schulzeiten? Diese Ära ist bald Geschichte. In einem anderen Raum steht bereits ein großer Smart-TV, der die analogen Tafeln durch ein digitales Pendant ersetzt. „Wir haben uns bewusst für diese Variante entschieden, dass sie perfekt auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist. Durch die Nutzung von Apple Tablet-Computern und den dazugehörigen Schnittstellen Apple TV, können wir jeden beliebigen Unterrichts-Inhalt auf die Großbildschirme werfen“, erklärt der Geschäftsführer. Man habe sich bewusst gegen die weit verbreiteten sogenannten, aber auch deutlich teureren „Smartboards“ entschieden. Auch aus Kostengründen. Stattdessen soll sich die Technik in die vorhandene technische Infrastruktur einfügen. Pionierarbeit leisteten das Kollegium des Johanneums bereits vor der Corona-Pandemie. In Windeseile konnte seinerzeit auf eine digitale Unterrichtsvariante über die Schulcloud umgestellt werden. Auch das ist Nachhaltigkeit.
Was auffällt, sind auch kleine Details, die den Schulalltag Stück für Stück modernisieren und erst bei genauer Betrachtung auffallen. Ein Kruzifix mit plastischer Wiedergabe Jesu in der Aula ist einem bunten Glaskreuz gewichen. Die alten und wenig energieeffizienten Tropfenlampen wurden durch leistungsfähige LED-Beleuchtungssysteme ersetzt. Vergangenes Jahr wurde in Kooperation mit LEADER und der Bürgerstiftung eine transportable Bühne und eine neue Beschallungstechnik angeschafft. Der Tradition weiter verpflichtet, aber die Moderne im Fokus. Das spiegelt sich auch in den Klassen- und Naturwissenschaftsräumen im Hauptgebäude wider. Neue Deckenelemente verbessern die Akustik und dienen nicht nur der optischen Verschönerung. Die Waschbecken in den Ecken der Klassenräume werden verkleidet. Die Großbildschirme prägen den Klassenraum 2.0 und erlauben neue multimediagestützte Unterrichtsformen. Dazu passend werden in den Unterrichtsräumen spezielle Schränke mit Spinden für die Schülerinnen und Schüler platziert. In jedem Spind gibt es eine USB-Auflademöglichkeit für die iPads, die die Schulbücher von einst ersetzen und so nun über gesamten Schultag ausreichend Energie haben. Die neue Deckenverkleidung und der Neuanstrich wurde zugleich für eine Sanierung der Elektrik genutzt. Abschied nehmen heißt es auch von den alten Filznadel-Teppichböden. Auch die sind jetzt Geschichte – sowie das flackernde Licht. Vermissen wird man beides wohl eher nicht. Bis zu 70 Prozent Lichtenergie kann pro Klassenraum künftig eingespart werden. In Zeiten der Energieknappheit eine nachhaltige Zukunftsstrategie. Smarte Sensoren steuern die Lichtmenge und erlauben weiterhin eine manuelle Feinjustierung.
Die Umbaumaßnahmen bieten nicht nur einen energetischen Vorteil (darum gibt es eine finanzielle Unterstützung eines Förderprogramms des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)), sie sind vor allem ein Beleg für den Aufbruchwillen der traditionsbewussten Schule, die sich in vielen Bereichen neu aufstellen möchte. Das ist auch nötig, denn zum Schuljahresende verließen sieben langjährige Lehrkräfte das Johanneum, um den wohlverdienten Ruhestand anzutreten. In wenigen Wochen starten die Fünfklässler ihre Schulzeit am Gymnasium Johanneum. Tafeldienst werden sie nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kennen. Schule ist heute in vielerlei Hinsicht anders als in den vorangegangenen Generationen. Die Digitalisierung ist da und steht im Einklang mit der Nachhaltigkeit, um für die jungen Menschen beste Bildungschancen möglich zu machen. Die Gesamtkosten der Maßnahme belaufen sich auf rund 250.000 Euro. Weitere 30.000 Euro kommen vom Projektträger Jülich (PtJ). „Nach dem Abschluss des Umbaus werden wir einen außerordentlichen Qualitätssprung verzeichnen. Wir haben aber noch viele weitere Ideen, um das Johanneum gemeinsam in die Zukunft zu führen“, sagt Wilfried Müller voller Vorfreude auf den Schuljahresbeginn 2022/2023.
Fotos/Text: B. Brüggenthies