Liesborn (mw/bb). Es wirkt fast ein wenig unvorstellbar, dass die Abteikonzerte fast so alt sind, wie das Museum selbst. In gerade einmal zwei Ausstellungsräumen präsentierte man Museum Abtei Liesborn im Jahr 1966 Kunst und Kultur. Rund fünf Jahre später bekam auch die Musik Raum zur Entfaltung: Mit der Premiere der „Abteikonzerte“. Sowohl das Museum, als auch das Kammermusikfestival zählen heute zu den bedeutendsten im Münsterland und NRW. Mit dem Auftakt der 51. Museumskonzerte wurde zugleich ein Generationenwechseln vollzogen. Initiator Florian Meyer-Langenfeld übergab sein Lebenswerk in die Hände seines Schwiegersohns Jörg Lopper und Enkelin Amelie. Und man muss feststellen: Die Liesborner Museumskonzerte bleiben in der Familie und erfinden sich ein Stückchen neu. Behutsame Neuerungen des bewährten Konzepts schüren die Vorfreude auf einen Frühlingsstrauß voller Musik und Kultur von Weltrang.
Amelie Lopper lässt sich zu keiner Sekunde anmerken, ob sie Lampenfieber hat. Das führt zu dem Schluss, dass sie einfach keines hat. Die Studentin führt souverän durch die erste große Neuerung des traditionellen Kammermusik-Festivals: Im „Refektorium“, einst eines der wichtigsten Räumlichkeiten der Benediktinerabtei a.D., warten die Konzertgäste gespannt auf die Premiere der Einführungsveranstaltung vor dem eigentlichen Konzert. Amelie Lopper interviewte vorab den Viola-Spieler Veit Hertenstein und somit den einzigen Musiker des Schumann-Quartetts, der nicht den Nachnamen Schumann trägt. Die Einführungen bieten fortan einen besonderen Einblick in den Alltag der Musikerinnen und Musiker des Festivals und machen sie für das Publikum noch nahbarer.
Wie werden Kompositionen ausgewählt und ein Repertoire zusammengestellt? Es ist vor allem das Verständnis für Einander und das Berücksichtigen der individuellen Wünsche der einzelnen Musiker. Jeder habe seine Aufgabe, sagt Hertenstein und lächelt seine Interviewpartnerin und anschließend die Zuhörerschaft an, die gleichermaßen interessiert den besonderen Einblicken in den Alltag eines Klassik-Quartetts lauschen. Auch im Orchester habe er eine schöne Zeit gehabt, doch reizte ihn das Neue, die Selbstständigkeit auf der Bühne. Ohne klärenden Dirigenten, aber mit ebenso großer Spielfreude im Vierklang der Instrumente im gemeinsamen Spiel mit den Schuhmann-Brüdern. Die Atmosphäre ist familiär, was auch durch die Enge des Raumes bedingt ist. Eben eine klassische Kammermusikcharakteristik.
„Es ist mir ein Anliegen, entstandene Traditionen zu wahren und dennoch das Festival weiterzuentwickeln und so in eine neue Ära zu führen“, versprach der neue künstlerische Leiter des Festivals, Jörg Lopper. Ganz bewusst sitzt sein Vorgänger Florian Meyer-Langenfeld etwas im Hintergrund und verfolgt mit großer Neugierde den Auftakt. Man merkt, dass er sehr stolz auf Jörg Lopper und dessen Tochter Amelie ist. Seine Enkelin zeigt sich als Idealbesetzung für die Abteikonzerte 2.0. Respektvoll im Umgang mit Musikern und Publikum führt sie durch das Programm. Dann kurze Stille. Erik, Ken und Mark Schumann sowie Veit Hertenstein betreten den Festsaal. Es ist mucksmäuschenstill. Dann erheben sich die Klänge und erfüllen den Raum mit Musik. Zwei Violinen, eine Viola und ein Violincello im virtuosen Gleichklang. Das Publikum lauscht den Werken von Hugo Wolf, Mozart und Beethoven und lässt sich von dem Quartett in den Kultur-Bann ziehen. Erst jetzt wird deutlich, wie sehr diese Gemeinschaftserfahrung in der Corona-Zeit fehlte. Live-Musik in der guten Stube eines historischen Gebäudes. Die Essenz eines halben Jahrhunderts Festivalgeschichte erneut in Perfektion. Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden mitgenommen auf eine Reise, die zugleich vertraut und Neuland ist.
Die kleinen Stellschrauben in der Organisation wurden an der richtigen Stelle gedreht. Die Liesborner Museumskonzerte sind auch deswegen eine fortgeschriebene Erfolgsgeschichte, weil sie Emotionen wecken und die Menschen bewegen. Das erste von sieben Konzerten traf hier den richtigen Nerv. Ergänzend dazu gibt es mehrere Zusatzkonzerte für junge Leute und in Kooperation mit den Wadersloher Schulen. Somit ist die Zukunft des ältesten Kammermusikfestivals in NRW gesichert und sich eine Tradition im Zeichen der klassischen Musik erfrischend neu erfunden. Chapeau!
Konzertkritik & Fotos: Benedikt Brüggenthies