Wadersloh (mw/bb). Mit der Übergabe der Beitrittsurkunde ist die Gemeinde Wadersloh nun auch offiziell im Städtebündnis zur Erinnerung an die rund 25.000 Opfer des Holocausts, die in die lettische Hauptstadt Riga deportiert wurden. Im Beisein vieler Ehrengäste unterzeichneten Regierungspräsidentin Dorothee Feller und Bürgermeister Christian Thegelkamp die offiziellen Dokumente, die Wadersloh zum offiziellen Mitglied des Deutschen Riga-Komitees macht. Vor rund zwei Jahren hatte sich der Heimatverein Wadersloh für den Beitritt stark gemacht und einen entsprechenden Antrag an den Rat gerichtet.
„Ich freue mich über die heutige Beitrittsveranstaltung. Ich finde es richtig und auch nötig, dass wir diesen wichtigen Tag – gerade in diesen Zeiten – gemeinsam begehen können“, leitete Bürgermeister Thegelkamp seine Begrüßung ein. Er führte die vielen Facetten des jüdischen Lebens in Deutschland auf. In Wadersloh waren die jüdischen Nachbarn bis zum Beginn der NS-Diktatur ein integrierter und lebendiger Teil der Dorfgemeinschaft. Bis in die 1920er Jahre sei die Geschichte des jüdischen Lebens in Wadersloh eine Erfolgsgeschichte gewesen, so Thegelkamp. Mit dem Beitritt zum Riga-Komitee möchte Wadersloh an die Menschen aus seiner Mitte gedenken, die dem Holocaust zum Opfer fielen.
Regierungspräsidentin Dorothee Feller war bereits bei mehreren Beitritten aus Kommunen im Regierungsbezirk Münsterland zugegen, habe aber noch nie ein so beklommenes Gefühl gehabt und sprach damit die aktuelle Lage in der Ukraine an. „Erstmals seit Jahrzehnten steigt bei uns wieder die Sorge vor einem Krieg in unserem eigenen Land“, so Feller. Angesichts der beiden Weltkriege in Europa habe man in der Vergangenheit sehr große Bemühungen in die Erinnerungskultur gelegt, um zu verhindern, dass man Ähnliches erneut erleben muss. Die Situation in Osteuropa mache mit Blick auf die Notwendigkeit einer Erinnerungskultur deutlich: „Jetzt erst Recht!“ Es sei zwingend erforderlich, dass man das friedliche Miteinander vor Augen geführt bekomme.
Über die Verantwortung Deutschlands sprach Dr. Sebastian Steinbach und zitierte einen jüdischen Freund aus Amsterdam: „We have to forgive, but never to forget („Wir müssen vergeben, dürfen aber nie vergessen!“). Winfried Schlieper, Vorsitzender des Heimatvereins Wadersloh, dankte allen Akteuren für ihre Bemühungen und Unterstützung zum Beitritt zu dem Städtebündnis. „Die Mitgliedschaft im Riga-Komitee wird einen besonderen Beitrag der Erinnerungskultur in Wadersloh leisten“, so Schlieper. Mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal am Rathaus gedachten Ehrengäste, Bürgermeister und Regierungspräsidentin den Opfern von Krieg und Gewalt. Mit der Mitgliedschaft im Riga-Komitee wird die Gemeinde Wadersloh das Gedenken an die einstigen Nachbarn auch in Zukunft erhalten.
Hintergrund: Die Opfer der NS-Dikatur in Wadersloh und die Aufgabe des Riga-Komitees
Erinnerungskultur spielt in der Gemeinde Wadersloh eine große Rolle. Seit Jahrzehnten macht sich vor allem der Heimatverein dafür stark, dass die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger niemals in Vergessenheit geraten. Vor 10 Jahren hatte sich der damalige Vorsitzende des Heimatvereins, Hans-Josef Kellner, in seinem Werk „Die vergessenen Nachbarn, wer kennt sie noch? – Die Geschichte der jüdischen Familien in Wadersloh seit 1816“ umfassend mit Wadersloher*innen jüdischen Glaubens und ihrem Schicksal auseinandergesetzt. 2020 starb mit Gila Raz (geb. Friederike Silberberg) eine der letzten Überlebenden aus Wadersloh, die in Israel eine Familie gründete und Zeit ihres Lebens nicht mehr nach Deutschland zurückkehrt. Ihr Bruder Julius Silberberg war mit gerade einmal 13 Jahren das jüngste Opfer. Er wurde mit seiner Familie 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet.
Das Deutsche Riga-Komitee hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die nach Riga deportierten Juden wach zu halten. So kümmert sich das Städtebündnis auch um die Gedenkstätte im Wald von Biķernieki. Mit dem Beitritt zum Riga-Komitee verpflichtet sich die Gemeinde Wadersloh dazu, einen finanziellen Beitrag für den Erhalt und die Pflege der Gedenkstätte zu leisten. Für den Heimatverein Wadersloh ist der Beitritt nur ein Baustein von vielen, um das Gedenken an die Opfer des Holocaust wachzuhalten. Regelmäßig gedenkt der Heimatverein an die Opfer. Aktuell wurde ein Antrag zur Sanierung des Jüdischen Friedhofs eingereicht. Ursprünglich sollte in diesem Herbst auch eine Fahrt nach Riga stattfinden, diese wurde jedoch aufgrund des aktuellen Kriegsgeschehens in der Ukraine abgesagt.
Fotos/Text: mw/bb.