Wadersloh (mw/bb).Die Mehrheitsfraktion CDU möchte die breite Öffentlichkeit bei den Ratssitzungen nicht dabei haben und schließt Online-Live-Streamings kategorisch ab. Die SPD hatte beantragt, dass Ratssitzungen live ins Internet gestreamt werden, so dass Bürger:innen transparent die Diskussionen in der Kommunalpolitik verfolgen können. Die Gemeinde Wadersloh hatte dazu zwei Varianten erarbeitet. Eine erste sieht die Umsetzung mit vorhandener Technik (mit einer Kamera) vor, eine zweite schlägt den Einsatz eines professionellen Dienstleisters (Mehrkamera) vor. Die Gemeinde wies im Vorfeld auf datenschutzrechtliche Probleme hin und sprach sich aus Kostengründen (Variante 2, rund 350 Euro pro Sitzung) und technischen Gründen (Variante 1) gegen eine Umsetzung aus. Im Hauptausschuss sollte am Mittwochabend eine Beschlussvorlage erarbeitet werden. Die CDU machte dabei mehr als deutlich, dass man von Online-Übertragungen nicht viel halte.
Anne Claßen (SPD) kündigte zu Beginn der Diskussion an, die Variante 2 für einen Testzeitraum von 1 Jahr ausprobieren zu wollen, um zu sehen, ob die Bürger:innen das Angebot nutzen. Sie sah in einer Realisierung sogar eine „Vorreiterrolle“ der Gemeinde Wadersloh. Rudi Luster-Haggeney (CDU) sprach sich nur aufgrund der Kosten gegen eine Umsetzung aus. Die Versammlungen seien alle öffentlich zugänglich. Er sah zudem keinen weiteren Nutzen in einem öffentlichen Streaming-Angebot. Der Aufwand für den Nutzen sei zu hoch. Heino Teckentrup (FWG) bedauerte die Begründung der CDU. Die FWG sprach sich dafür aus, die Variante 2 testweise auszuprobieren zu wollen und pflichtete dem Vorschlag der SPD bei. Er könne sich auch eine redaktionell begleitete Live-Streaming-Variante vorstellen, wie sie Mein-Wadersloh.de bereits im vergangenen Jahr bei der Wahlpräsentation durchführte. Andreas Wesseling (CDU) sah die Kosten als zu hoch an, da man mindestens zwei Kameraleute brauchte. „Mit einer kleinen Videohandkamera ist das nicht umsetzbar.“
Oliver Weinekötter (FDP) sah das Live-Streaming ebenfalls skeptisch. Er befürchtet eine Verzerrung bei der Darstellung, wenn man Personen nicht direkt zuordnen könne. Anne Claßen (SPD) sprach sich weiterhin für das Streaming aus, vor allem als Angebot für Personen, die nicht an den öffentlichen Sitzungen teilnehmen können. Andrea Goß (FWG) sah das Streaming als Möglichkeit, Politik für die Bürger:innen nach außen zu zeigen und das Interesse für Politik zu wecken. Die CDU sah den Aufwand für Kosten-Nutzen-Aufwand als nicht gegeben an. Die FWG kritisierte daraufhin die CDU dafür, dass man das Thema zu schnell abtun würde. Die CDU kenne keinen Unternehmer, der für das angebotene Geld ein professionelles Ergebnis erzielen könne. Rudi Luster-Haggeney (CDU) ergänzte, dass weder in den Nachbarkommunen, noch im Kreis ein ähnliches Angebot umgesetzt werde. „In Wadersloh werden wir die Welt wohl nicht neu erfinden. Für kleine Kommunalparlamente muss man das auch nicht ausprobieren. Technisch ist das zu schwer umsetzbar“, so Luster-Haggeney (CDU). Bürgermeister Christian Thegelkamp stellte den Beschlussvorschlag zur Wahl, die Variante 2 für ein Jahr auszuprobieren. Der Antrag wurde mit den Stimmen der CDU abgelehnt. Es wird also kein öffentliches Live-Streaming von Ratssitzungen in Wadersloh geben. Final beraten wird im Rat am 28. Juni.
Kommentar: Verpasste Chance für mehr Transparenz
von Benedikt Brüggenthies
Für viele Bürger:innen erfordert es – nicht nur in Pandemiezeiten- Überwindung, an den langwierigen Ratssitzungen über Stunden vor Ort teilzunehmen. Aus welchen Gründen auh immer. Live-Streamings sind seit dem Frühjahr 2020 allgegenwärtig und eine perfekte Möglichkeit, um jeden interessierten Bürger zu erreichen – ganz unabhängig von Ort und der Zeit. Die CDU zeigte sich bei diesem Thema wenig kompromissbereit und möchte es nicht einmal auf einen Versuch ankommen lassen, zumal die vorliegenden Angebote sehr fair bepreist wurden. Da wo öffentliches Streaming mehr Transparenz und Bürgernähe und vor allem einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung ermöglicht hätte, schiebt die Mehrheitsfraktion einen Riegel vor und stößt damit nicht nur den anderen Fraktionen vor den Kopf, sondern verpasst auch eine Chance, Bürger:innen aktiv für die Arbeit des Rats und der Ausschüsse zu begeistern. Der Bildschirm bleibt also künftig leider schwarz. Gut, dass es die Presse gibt. Die darf übrigens auch weiterhin aus den Ausschüssen berichten.
Fotos/Text: mw/bb.
Anm. d. Red.: Wir haben die Überschrift angepasst, in einer früheren Version hieß es „CDU lehnt öffentliches Streaming von Ratssitzungen ab“. Auch die FDP-Fraktion und der Bürgermeister stimmten gegen das öffentliche Live-Streaming.