Wadersloh (mw/bb). Für viel Zündstoff sorgte am Montagabend die politische Beratung zur Festlegung des Gemeindeanteils zum Mittagessen in den Schulen. SPD und FWG reichten Anfang des Jahres unabhängig voneinander Anträge dazu ein. Hintergrund war ein geplanter Systemwechsel beim Konzept des Mittagessens und die Vermeidung höherer Kosten für Schüler:innen und Eltern. Der CDU-Fraktion schmeckte die Debatte ganz und gar nicht. Nach einer Sitzungsunterbrechung plädierte die Mehrheitsfraktion, die zuvor einen künftigen Verpflegungszuschuss komplett ablehnte, für einen neuen Vorschlag, der aus Sicht von SPD, FWG und FDP vor allem zu einem führe: höheren Kosten und mehr Verwaltungsaufwand für die Gemeinde Wadersloh.
Noch während der laufenden Sitzung, die ausnahmsweise mit dem nicht-öffentlichen Teil als gemeinsamer Sitzung von Schul- und Hauptausschuss startete, schickte der CDU-Fraktionsvorsitzende Rudolf Luster-Haggeney die Ausführungen seiner Partei an die Presse und machte darin mehr als deutlich, dass aus Sicht der CDU-Fraktion dreiviertel der Wadersloher Schüler:innen benachteiligt werden und somit der Zuschuss für die Mittagsverpflegung ganz wegfallen solle.
Die Gemeindeverwaltung hatte die Schul-Mittagessen-Verpflegung der Sekundarschule und des Grundschulverbunds neu ausgeschrieben und an einen Dienstleister aus dem benachbarten Lippetal vergeben. Die SPD-Fraktion hatte sich dafür stark gemacht, dass der Endpreis pro Schüler:in auch weiterhin einen Eigenanteil von 2,80 Euro beträgt und die Gemeinde 50 Cent zur Unterstützung beiträgt. Für den neuen Caterer wären Kosten von 30 Cent (Grundschule) und 70 Cent (Sekundarschule) pro Mittagessen angefallen.
Für die CDU kam das aber so nicht infrage. Sie sah vor allem eine Benachteiligung der Schüler:innen des Privaten Gymnasiums Johanneum. Rudolf Luster-Haggeney verwies darauf, dass die Versorgung mit Mittagessen für Schüler:innen aus „sozial schwachen“ Familien auch ohne gemeindlichen Zuschuss über externe Programme wie den Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ oder über die Fördervereine sichergestellt sei.
„Wir begrüßen ausdrücklich, dass es an den Schulen eine höhere Flexibilität beim Mittagessen gibt, dass regional gekocht wird, dass viel mehr auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingegangen werden kann. Wir der Meinung, dass der Zuschuss nicht mehr den Zweck erfüllt, den er einmal hatte. Dies wurde aus den einführenden Worten des Vorsitzenden zur Historie und dem zuvor gesagtem deutlich. Viele Schülerinnen und Schüler erhalten momentan keine Bezuschussung. […]“
R. Luster-Haggeney, CDU
Nach Berechnungen der CDU nutzen 280 von 593 (56 Prozent) Kinder und Jugendliche der Sekundarschule und 205 von 465 Kinder (44 Prozent) des Grundschulverbunds das Mittagessen-Angebot in der Gemeinde Wadersloh. Die neuen Preise seien mehr als fair, stellte die CDU fest. Im Gespräch mit Mein-Wadersloh.de wurde Rudolf Luster-Haggeney noch deutlicher: Es sei „unfair“ und man haben die Schüler des Johanneums aus dem Blick verloren.
SPD, FWG und FDP vertreten in der Sache einen komplett entgegengesetzten Standpunkt. Am Dienstagmorgen stellten sich die drei Fraktionen geschlossen gegen die Partei mit der absoluten Mehrheit und äußerten darin großes Unverständnis über das Verhalten der CDU. Ratsmitglied Konstantin Schlieper (SPD) zeigte sich irritiert über die Wortwahl „sozialschwacher“ Kinder“. Er erklärte, dass es sich bei den Unterstützten nicht um „sozialschwache Kinder“ handelt, sondern – wenn überhaupt – um „Finanzschwache“. Sozial schwach sei es jedoch, den bewährten Zuschuss abzuschaffen, so Schlieper weiter. Auch die FWG zeigte sich über den Verlauf der Debatte nicht glücklich. Andrea Goß (FWG) sieht in dem Zuschuss einen Gewinn für alle Familien, mit dem die Gemeinde als „wirklich familienfreundlich“ präsentieren könne. Zu der Argumentation der CDU, dass nur die Schüler:innen etwas davon hätten, die am Mittagessen teilnehmen würden, kommentierte sie: „Dann müsste allerdings jeder gemeindliche Zuschuss, an Vereine, Büchereien oder sonstige Gruppierungen hinterfragt werden, der nicht automatisch allen zuteilwird.“
Bürgermeister Christian Thegelkamp wies auch auf die aktuelle Coronalage hin und befürwortete auch den Kompromissvorschlag, zumindest ab dem zweiten Kind einen Zuschuss zu ermöglichen:
„Das Zeichen, welches wir mit einer Abschaffung des Zuschusses in die jungen Familien senden, ist einfach nicht richtig. Wir müssen an der Seite unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger stehen.“ – Bürgermeister Christian Thegelkamp
Nach einer Sitzungsunterbrechung machte die CDU den Vorschlag, dass die Gemeindeverwaltung nun ein Konzept vorlegen solle, bei dem Familien mit drei oder mehr Kindern einen Zuschuss erhalten und der auch die Schüler:innen des Johanneums mit einbezieht. Dieser Vorschlag traf bei FWG, FDP und SPD auf wenig Gegenliebe und führte zu einer zweiten Unterbrechung. Anders als die CDU sah man keinen Gewinn in dem Kompromissvorschlag, da er zu zusätzlichen Verwaltungskosten führe. Aufgrund der Mehrheitssituation der CDU wurde der ursprüngliche SPD-Antrag und auch der FWG-Kompromissvorschlag abgelehnt, der neue CDU-Vorschlag wurde mit den Stimmen der CDU beschlossen. SPD, FWG und FDP nahmen in ihrer Pressemitteilung wie folgt Stellung:
„Diese Beschlussfassung berge diverse ungeklärte Sonderfälle und Fallstricke, baue eine zusätzliche Antragshürde auf, und produziere alles in Allem sehr viel Arbeit, anstatt wirklich zu helfen.“ – FDP, FWG und SPD zu dem Beschluss des CDU-Vorschlags
Der sachkundige Bürger Marco Zaremba (SPD) fasste es wie folgt zusammen:
„Die Verwaltung wurde durch die CDU nun mit einer Aufgabe beladen, die die Verwaltungskosten maximiert und den Nutzen eines potenziellen Zuschusses für Familien minimiert. Familienfreundlich geht anders.“ – Marco Zaremba (SPD), Sachkundiger Bürger
Die CDU-Fraktion zeigte Unverständnis darüber, dass die anderen Parteien mit der Entscheidung unzufrieden sind. „Alle, die es nötig haben, bekommen das Essen kostenlos. 75 Prozent bekommen nichts, auch wenn es ihnen zustünde. Wir möchten mit unserer Entscheidung Ungerechtigkeiten abschaffen. Anders ist es jetzt ab dem 3. Kind. Da wird die Gemeindeverwaltung ein passendes Zuschusssystem erarbeiten. Es gibt sicher noch mehr Berechtigte, die Leistungen erhalten können, die es aber gar nicht wissen“, so Rudolf Luster-Haggeney im Gespräch mit MW und weiter: „Die anderen Fraktionen argumentieren in eine andere Richtung. Wir haben versucht in der Sache zu diskutieren“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende.
Wirklich glücklich wirkte der 1. Bürger der Gemeinde auch einen Tag nach dem Beschluss, den die CDU mit einer Stimme Mehrheit durchsetzte, nicht. Im Gespräch mit Mein-Wadersloh.de sagte Bürgermeister Thegelkamp: „Man kann diese Sache natürlich rein wirtschaftlich betrachten. Die Bürger werden durch die Neuausschreibung des Caterers nicht mehr belastet als vorher. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite sollte sich die Christlich Demokratische Union aber auch fragen, welches Signal man sendet inmitten der Pandemie. Es kommt zur falschen Zeit.“
UPDATE VOM 03. Mai 2021
(1) Am 01. Mai haben wir einen Leserbrief einer betroffenen Familienmutter veröffentlicht. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Rudolf Luster-Haggeney teilte uns dazu mit, dass man einzelne Leserbriefe generell nicht kommentieren werde. Er bietet aber eine direkte Kontaktaufnahme an. Die Kontaktdaten sind der CDU-Webseite zu entnehmen (externer Link).
(2) Anm. d. Red. In der Oelder Zeitung „Glocke“ vom Samstag, 01. Mai, wurde eine genauere Darstellung der Situation abgedruckt. Grundlage war eine Pressemitteilung der CDU Wadersloh. Eine weitere Berichterstattung hat die CDU auf ihrer Webpräsenz im Nachhinein am 01. Mai ergänzt (ext. Link). Hierzu stellen wir fest: Diese Pressemitteilung wurde uns nicht zur Verfügung gestellt. Entsprechend konnten wir dazu auch nicht berichten. Unsere Berichterstattung vom Dienstag, 27. April, basiert auf einem Telefonat mit der Fraktionsspitze.
Archivfoto/Text: mw/bb,
Quelle: Statement CDU Wadersloh, Pressemitteilung FDP, SPD, FWG (externer Link)