Liesborn (mw/bb). Es ist viel los an diesem Feiertag: Nahezu jeder Stuhl im Café Baumhoer’s Lippeauenblick ist an diesem Nachmittag besetzt. Viele reisten per Fahrrad an und machten es sich zur Kaffeezeit an den wunderschönen Lippeauen in Göttingen gemütlich. Darf es ein Stück Normalität zum Stück Stachelbeerkuchen sein?
Das Servicepersonal trägt Maske und auch die größeren Abstände zwischen den Freiluft-Tischen zeugen noch von der Corona-Situation. Viele der Gäste waren aber nicht nur auf Kaffee und Kuchen neugierig, sondern möchten neben dem Blick auf das Auenland auch einen Blick in luftige Höhen riskieren, denn dort hat sich eine Storchenfamilie ein luftiges Nest gebaut. Erst kürzlich rettete Familie Baumhoer ein verstoßenes Storchenbaby und hat somit derzeit einen besonderen Untermieter. Mein-Wadersloh.de hat sich vor Ort über den besonderen Gast informiert.
Im vergangenen Jahr waren die Störche erstmals heimisch bei Familie Baumhoer. Nicht nur der Kaffeegast von nah und fern, sondern auch Familie „Adebar“ weiß die Gastfreundschaft hier anscheinend sehr zu schätzen. Zunächst verlief auch alles wie im Vorjahr: Nachdem die Storcheneltern aus dem warmen Süden zurück nach Göttingen kamen, wurde das Nest auf dem Scheunenfach hergerichtet und schon bald schlüpften aus den Storcheneiern vier Storchenküken. Zuvor war die Spannung natürlich groß, denn erst nach einiger Zeit steckt der Klapperstorchennachwuchs die beschnabelten Köpfchen aus dem Nest. Eines Tages machte Familie Baumhoer dann aber eine traurige Entdeckung: Eines der Küken wurde aus dem Nest geworfen. Der traurige Grund: In den Lippeauen gibt es zu wenig Futter. Die lange Trockenperiode und der harten Boden erschwerten den Storcheneltern die Nahrungssuche für die Kleinen. Um das Überleben der anderen Babystörche zu sichern, schmeißen die Altstörche das schwächste Junge aus dem Nest.
Das Drama wiederholte sich dann kurze Zeit später, doch Familie Baumhoer war dieses Mal zur Stelle und brachte das zweite Storchenbaby an den Pfingsttagen in Sicherheit. Jetzt war guter Rat teuer, denn das Küken war sehr schwach und kurze Zeit später hatte Opa Baumhoer dann die rettende Idee: Der klappernde Mini-Storch zog in das warme Gewächshaus um. Dort erholt sich das noch namenlose Küken nun von dem unfreiwilligen Rauswurf aus dem elterlichen Nest und soll in Kürze in eine Voliere umziehen. Durch die regelmäßige Rücksprache mit einem Tierarzt und dem Naturschutzbund (NABU) entschied Familie Baumhoer, dass der Wildvogel nun erst einmal weiter vor Ort aufgepäppelt werden soll. Der Kontakt zu Menschen soll dabei so gering wie möglich gehalten werden. Nur vier Mal am Tag bekommt der Storch Besuch: Immer dann, wenn es etwas zu Futtern gibt. „Wir sind gespannt, wie es nun weiter geht. Wir sind froh, dass es dem Kleinen schon viel besser geht“, sagt Corinna Baumhoer aus sicherer Entfernung. Aber was eben derzeit für die Cafégäste gilt, kann ja auch für die Störche nicht verkehrt sein: Einfach ein kleines bisschen Abstand halten und die schöne Atmosphäre an den Lippeauen genießen.
Fotos/Text: B. Brüggenthies