Wadersloh/Benteler (mw/bb). Liebe Bentleranerinnen und Benteleraner, wie schön und filmreif doch die Geschichte eurer Unabhängigkeit von Wadersloh ist. Ende des 19. Jahrhunderts – so besagt der Mythos- haben eure Vorfahren den Aufstand geprobt und sich in einer spektakulären „Nacht- und Nebelaktion“ hoch zu Ross von Benteler auf den Weg ins benachbarte Wadersloh gemacht, um bei einer Abstimmung kurz vor Schließung der Wahllokale die Stimmenmehrheit für die Selbstständigkeit zu erreichen. So besagt es zumindest die mündliche Überlieferung. Doch ganz so wurde die Geschichte nicht geschrieben. Bei einer Buchvorstellung brachten Kreisarchivar Dr. Knut Langewand und Autor Philipp Lenser (Co-Autor Jan Stalder ließ sich entschuldigen) Licht ins Dunkle einer interessanten Gemeindegeschichte zwischen einer Gemeinde und einer damaligen Bauerschaft.
Auf Einladung des Kreises WAF und des Heimatvereins Wadersloh fanden sich viele Gäste am Donnerstagnachmittag bei „Miss Elly“ ein. Zu gleichen Teilen aus Benteler und aus Wadersloh kommend, lauschten die Gäste den Ausführungen der beiden Experten, die das Buch „Entscheidungskulturen um 1900“ vorstellten. Gemeinsam an einem Tisch sitzen? Das war in der Zeit um 1900 zwischen Benteler und Wadersloh kaum möglich. Denn die Menschen aus Benteler strebten nach Unabhängigkeit. Das Münsterland war im Umbruch und sogar der König der Preussen, Wilhelm II., musste erst ein Machtwort sprechen, bis aus der Wadersloher Bauerschaft das Dorf Benteler werden konnte. Ganze sieben Jahre lang zog sich der Westfalen-Krimi in vier Akten hin, beschrieb Dr. Langewand den damaligen Entscheidungsprozess. Amtsmann, Landrat, König. Es war spannend, was sich einst im Münsterland zutrug.
Von der Verfassungstheorie bis zur historischen Praxis spannten die Autoren die Geschichte zum Gründungsmythos Bentelers. Mit List gegen Ignoranz hatte es jedoch nichts zu tun, denn in Wirklichkeit existierte bis zum Ende der Monarchie im Jahre 1918 ein Drei-Klassen-Wahlrecht. Ungleich und nicht geheim wurde abgestimmt und zwar zu einem festen Wahltermin. Auch die historischen Akten belegen, dass die Menschen in Benteler seinerzeit wohl nicht mit Pferdekutschen in das 4 Kilometer entfernte Wadersloh aufbrauchen. Vielmehr war es ein langer Prozess und keine Verschwörung, die zur Abspaltung führten. Vielmehr organisierte sich Benteler bis 1890 und vier Benteleraner wandten sich in einem Brief an den Landrat, um ihren Anspruch auf Selbstständigkeit vorzubringen. Vor allem die kirchliche Eigenständigkeit wurde angestrebt. Wadersloh blieb zunächst gelassen und reagierte gar nicht erst. Erst nach und nach schwand die Gegenwehr bei den Gemeindeversammlungen. Benteler sei dem geneigt den Beschwerdeweg zu nehmen. Ob tiefere Emotionen eine Rolle spielten?
Im Sommer 1896 gab der Preussenkönig grünes Licht für die Abspaltung und die kirchliche Eigenständigkeit. Zum 1. April 1898 trug die Initiative Früchte und sieben Jahre nach dem anfänglichen Begehren war Benteler ein eigenständiges Dorf und Wadersloh verlor gleich ein ganzes Viertel seiner Bewohner und seines Ländereien. Der große Oppositionsgeist ist also keine Legende, nur spielte sich die Geschichte etwas anders zu. Am Donnerstag spielte das keine Rolle mehr. Längst vergessen war der Kampf von David gegen Goliath. Mit Antonius Handing (Heimatverein Benteler) und Winni Schlieper (Heimatverein Wadersloh) saßen Teilnehmer aus beiden Orten wieder gemeinsam an einem Tisch. Ob es eine Ironie der Geschichte ist, dass Benteler und Wadersloh mittlerweile wieder zu einer gemeinsamen Pfarrei gehören? Sicher nicht. Fest steht nämlich: Die Freundschaft zwischen Wadersloh und seiner einstigen Bauerschaft ist im Jahre 2020 erstarkt und es gibt viele Anknüpfungspunkte aus der gemeinsamen Geschichte. Die Rivalität von einst ist längst Legende und dem dörflichen Miteinander gewichen.
Fotos/Text: Brüggenthies