Bad Waldliesborn/Wadersloh (mw/bb). Im Pfarrheim „Die Brücke“ in Bad Waldliesborn fand am Donnerstagabend eine Infoveranstaltung zu dem am vergangenen Wochenende bekannt gewordenen Vorfall eines sexuellen Missbrauchs durch einen Pfarrer in Kevelaer statt. Es wurde eine hochemotionale Diskussion geführt, bei dem vor allem am Bistum Münster massive Kritik laut geworden ist.
Vor Ort stellten sich Pfarrer Martin Klüsener (Leitender Pfarrer der Pfarrei St. Margareta Wadersloh), Peter Frings (Syndikusanwalt, Interventionsbeauftragter Bistum Münster) und Domink Potthast (Präventionsbeauftragter der Pfarrei St. Margareta Wadersloh) den Fragen des Publikums. Die Moderation übernahm Jutta Loke.
HINWEIS: Frings bat darum, dass sich möglicherweise andere Betroffene bei den Ansprechpersonen für Verfahren bei Fällen sexuellen Missbrauchs melden: Bernadette Böcker-Kock: 0151-63404738; Bardo Schaffner: 0151-43816695.
Nach der Begrüßung durch Pfarrer Martin Klüsener und der Vorstellungsrunde, machte Jutta Loke deutlich, worum es bei dem heutigen Infoabend geht. Peter Frings hatte im Laufe des Abends einen Brief der Betroffenen verlesen. Das Bistum Münster wollte an dem Abend ausserdem über den Umgang mit sexuellen Missbrauch berichten. Laut Frings habe sich mittlerweile eine weitere Betroffene gemeldet. Der Fall einer ersten Betroffenen wurde am Sonntag öffentlich bekannt. Die Fälle haben sich in den 1980ern zugetragen.
Stark kritisiert wurde das Bistum Münster für seine bisherige Informationspolitik. Peter Frings äußerte sich zu den Regelungen im Bistum. Der ausdrückliche Wunsch der Betroffenen, dass der Fall nicht öffentlich wird, sollte respektiert werden. Darum hatte das Bistum den Fall bisher nicht öffentlich gemacht. Frings gab aber auch zu, dass Fehler gemacht worden seien und dass man versuchen werde, aus diesen Fehlern zu lernen. Über einen zweiten Missbrauchsfall wurde am 7.11. vom WDR berichtet (externer Link). Auch die zweite Betroffene möchte anonym bleiben.
Zum Hintergrund: „Der Vorgang war dem Bistum Münster seit 2010 bekannt. Die betroffene Frau hatte damals jedoch ausdrücklich verlangt, dass der Sachverhalt nicht öffentlich gemacht wird und auch, dass die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet werden darf. Das Bistum hatte den Sachverhalt nach Rom an die Glaubenskongregation gemeldet. Nach Abschluss der dortigen Prüfungen wurden dem Geistlichen in einem Dekret seelsorgliche und priesterliche Tätigkeiten nur in einem vom Bistum zugewiesenen Bereich gestattet.“ (Auszug Pressemitteilung)
Diskutiert wurde, warum Pfarrgemeinde und Gemeindemitglieder nicht besser informiert wurden. Das Bistum räumte hier „schwere Fehler“ ein und dass die Auflagen und Kontrolle für den Geistlichen möglicherweise unklar waren bzw. nicht ausreichend erfolgt seien.
Dominik Potthast berichtete als Präventionsbeauftragter der Pfarrei St. Margareta über die Maßnahmen und Präventionsschwerpunkte in der Pfarrei. Er machte deutlich, dass Kinder schon früh sensibilisiert würden, „nein“ zu sagen. In der Pfarrei gäbe es zu dem regelmäßige Präventionsschulungen. Ein Schutzkonzept befände sich derzeit in der Umsetzung.
Gefragt wurde in der Runde, welche Unterstützung die Opfer seitens des Bistums bekommen. Hier wurde die Möglichkeit zur Übernahme von Therapiekosten genannt, aber auch , dass das Bistum die Anwaltskosten für das Opfer übernimmt. Gibt es eine Immunität für Priester? Diese Frage aus dem Publikum wurde ebenfalls diskutiert. Ganz konkret ging es darum, dass Kinder ungeschützt gewesen sein in der Zeit nachdem der Missbrauch beim Bistum Münster bereits bekannt war. Frings betonte, wie wichtig die Stellung einer Strafanzeige ist. Mögliche strafrechtliche Verfolgung bei Missbrauchsfällen, die interne Prüfung beim Bistum bei Verdachtsfällen und Opferschutz wurden thematisiert.
Pfarrer Martin Klüsener (Pfarrer von St. Margareta seit 2013) wurde bereits im Jahr 2013 über einen Übergriff durch einen Geistlichen in Kevelaer informiert, ihm waren jedoch keine Einzelheiten bekannt. Die Information seien nicht eindeutig gewesen und auch die Auflagen waren nicht umfänglich bekannt. Die Information wurde aus Gründen des Personenschutzes und aufgrund strenger Amtsvertraulichkeit nicht an den Pfarrei-Rat und Kirchenvorstand weitergegeben. Auch das Seelsorgeteam habe keinerlei Kenntnis von den Vorwürfen gehabt, so Klüsener.
Wer trägt die „moralische Schuld“ ?
Ein Großteil des Publikums hätte sich gewünscht, dass der Bischof persönlich in Bad Waldliesborn Präsenz gezeigt hätte. Die Nicht-Sanktionierung des mutmasslichen Täters wurde mehrfach stark kritisiert. Rückendeckung bekam die Pfarrei und der Präventionsbeauftragte Dominik Potthast. Man solle der Pfarrei möglichst viel Unterstützung geben, um den Fall sachlich und richtig angehen zu können.
Moderatorin Jutta Loke fasste zusammen: Insgesamt herrsche große Wut und Trauer in der Pfarrei. Wut vor allem darüber, dass Verantwortliche Bescheid wussten und nicht gehandelt hätten, was zu einem Vertrauensverlust geführt habe. Für die Pfarrei bestehe nun eine große Herausforderung im Umgang mit der Sache. Die Botschaft an den Bischof war der Wunsch, dass er sich auch persönlich vor Ort den Fragen stellen solle. Die Forderung an das Bistum laute: Was sind Standards im Umgang mit künftigen Fällen? Wie geht die Öffentlichkeitsarbeit mit diesem Thema um?
Wie geht es in der Pfarrei weiter? Das Seelsorgeteam war sichtlich betroffen. Derzeit befindet sich ein umfassendes Schutzkonzept in Vorbereitung vor. Weitere Maßnahmen sind in Planung. Und wie wird das Bistum Münster künftig mit Fällen sexuellen Missbrauchs umgehen? Es wird Folgeveranstaltungen geben, um den Fall aufzuarbeiten. Mehr dazu in Kürze.
Weiterführende Links
In Kevelaer wurde bereits gestern eine hochemotionale Diskussion geführt. (externer Link zum Rückblick auf der Seite des Bistums).
Hilfe für Betroffene
Betroffene können sich bei den Ansprechpersonen für Verfahren bei Fällen sexuellen Missbrauchs melden: Bernadette Böcker-Kock: 0151-63404738; Bardo Schaffner: 0151-43816695.