Liesborn (mw/bb). Willlkommen zu einer kleinen Zeitreise in die Vergangenheit. Im April 2015 berichtete Mein-Wadersloh.de erstmals von dem Kunstschatz „Liesborner Evangeliar“. Das wertvolle Buch, das die vier Evangelien des Neuen Testaments beinhaltet, wird auf das Jahr 980 datiert und ist damit fast so alt wie Liesborn selbst. Museumsleiterin Dr. Elisabeth Schwarm hatte 2015 die Gelegenheit, das beeindruckende Werk bei einer Ausstellung in Maastricht in Augenschein nehmen zu können und die Vorstellung, dieses einmalige Exponat eines Tages in Liesborn sehen zu können, war noch ein Wunschtraum. Am 26. Juni 2019 hat der Kreis Warendorf im Museum Abtei Liesborn nun die Pläne für einen umfassenden Umbau präsentiert. Und im Mittelpunkt wird das mittelalterliche Evangeliar stehen!
Zeitsprung in das Jahr 1803: Das Kloster im Liesedorf wird aufgelöst. Im Zuge der Säkularisierung hat der der preußische Staat viele wertvolle Kulturschätze zu Schleuderpreise verkauft. Dabei ging die große Klosterbibliothek zunächst nach Münster in die Staatsbibliothek und dann, heute unvorstellbar, an eine Privatperson. Auch das wertvolle Evangeliar reist um die ganze Welt.
Zeitsprung in das Jahr 1987: Im Jahr 1987 wird das Evangeliar im Auktionshaus Christie’s in London zum Kauf angeboten. Der damalige Oberkreisdirektor Dr. Wolfgang Kirsch und der damalige Museumsleiter Dr. Bennie Priddy (s. Foto rechts) flogen in die Hauptstadt des Vereinigten Königsreichs um das Buch zu ersteigern. Der norwegische Sammler Martin Schoyen überbietet die Delegation aus Westfalen und erwirbt das Evangeliar für 1,14 Mio. Deutsche Mark.
Zeitsprung in das Jahr 2003: Das Evangeliar kann für kurze Zeit in Liesborn bestaunt werden: Im Rahmen der „200-Jahr-Feier“ des Kreises Warendorf wird im Museum ausgestellt. Ausgerechnet 200 Jahre nach der Auflösung des Klosters ist das Evangeliar wieder „zu Besuch“ in seiner Heimat.
Zeitsprung in das Jahr 2015: Im März 2015 erscheint das Evangeliar auf der Internationalen Kunstmesse TEFAF in Maastricht. Die wertvolle Handschrift wird durch die Galerie „Les Enluminures“ im Auftrag der Inhaberin, der Kunsthändlerin Dr. Sandra Hindman, zum Verkauf angeboten. Noch träumen der Kreis Warendorf und Museumsleiterin Dr. Schwarm von dem Erwerb.
Zeitsprung in das Frühjahr 2017: Mit vereinten Kräften und der Hilfe unzähliger Sponsoren und Förderern gelingt dem Kreis Warendorf der Jahrtausend-Coup! Die wohl wertvollsten Kuhhäute der Menschheitsgeschichte (Anm. d. Red.: Das Evangeliar besteht aus 85 Kuhhäuten) und ein einzigartiges Zeugnis mittelalterlicher Kunst- und Kulturgeschichte kehrt nach Liesborn zurück. Zwei Jahre lang wurde mit Besitzerin Dr. Sandra Hindman verhandelt. Im Sommer 2017 wird das Evangeliar erstmals seit 2003 wieder in Liesborn ausgestellt. Doch dieses Mal ist es gekommen, um für immer zu bleiben.
Zurück in die Zukunft: Das Museum Abtei Liesborn wird zum Leuchtturm mit überregionaler Strahlkraft
Als Deutsches Kulturgut wird das Evangeliar Deutschland nie wieder verlassen. Um die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, wird das Museum in mehreren Bauabschnitten umgebaut. Im ersten Bauabschnitt, der bis zum Frühjahr 2021 abgeschlossen werden soll, wird ein neuer Museumseingangs geschaffen und ein neuer Raum für das wertvolle Exponat geschaffen.
Gleich mehrere Räume werden für das Evangeliar zusammengelegt. Mit voller Begeisterung leuchten die Augen von Christian Oberteicher vom Planungsbüro DBCO/BOK+Gärtner Münster auf. Er zeichnet für die Neugestaltung verantwortlich: „Unser Ziel ist die umfassende kulturelle Teilhabe für alle. Das Gemeinsame steht im Mittelpunkt.“ An der Wand hängen drei Abbildungen, die den geplanten Umbau im ersten Bauabschnitt aufzeigen. Direkt ins Auge fällt, dass der bisherige Haupteingang zwar erhalten bleibt, es künftig aber einen barrierefreien Museumseingang im nördlichen Bereich geben wird (Anm. d. Red.: in Richtung Klosterhof). Der bisherige Eingang bleibt aber natürlich erhalten und wird dann für Sonderveranstaltungen und standesamtliche Trauungen nutzbar bleiben. Der Evangeliarraum ist ein zentraler Bestandteil der Neugestaltung, der den Museumsbesuch zu einem unvergesslichen Erlebnis machen soll.
Die Herausforderung, die mittelalterliche Handschrift angemessen zu präsentieren, war dabei keine ganz einfache. Ein spezielles Lichtkonzept setzt das Evangeliar in Szene. Das Exponat selbst befindet sich dabei in einem Klimatresor und wird bei Bedarf in den Keller abgesenkt. Umgeben ist es von drei großen Stelen. Alles wirkt wie ein Kirchenraum und berücksichtigt somit die Tradition des historischen Gemäuers und Exponats. Die Besucher selbst gelangen zunächst in einen abgedunkelten Vorraum, denn das Evangeliar ist sehr lichtempfindlich. Im Evangealiarraum dürfen dann laserausgeschnittene Auszüge aus der Handschrift bestaunt werden. Je nach Tageslicht soll sich dabei die Lichtstimmung ändern. Das „Wort Gottes“ wird im Licht sichtbar. Zeitgenössische Chorale – eingesungen vom Mehr-Generationen-Chor Diestedde – klingen dezent im Hintergrund und lassen die Betrachter in das Mittelalter eintauchen.
Nicht nur die Präsentation des Evangeliars, sondern auch die Museumspädagogik sollen das Museum Abtei Liesborn zum Leuchtturmprojekt der ganzen Region werden lassen. Das Gesamtkonzept sieht dabei auch vor, dass Kultur und Tourismus im ländlichen Raum vernetzt werden und stellt auch die Inklusion in den Fokus. Alle Menschen sollen an diesem kulturellen Angebot teilhaben können. Lange wurde nach dem „roten Faden“ für das neue Konzept gesucht und man hat ihn gefunden. Modernste Standards sollen den Museumsbesuch zu einem Erlebnis machen. Für den ersten Bauabschnitt, der am Ende der Sommerferien 2019 starten soll, werden fast zwei Millionen Euro investiert. Die Hälfte davon kommt als Zuschuss vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Endgültig entschieden über den Umbau wird am 5. Juli im Kreistag.
Der Evangeliarraum in 360 Grad-Ansicht (Foto: DBCO GmbH)
Bildergalerie: Umbau des Museums Abtei Liesborn
Fotos/Text: B. Brüggenthies