(mw/bb). Vor knapp vier Wochen eröffnete in Wadersloh-Diestedde mit dem „Wilkommenstreff“ im Schloßhof an der Langen Straße ein Projekt mit Vorbildcharakter: Flüchtlinge, Helfer und Besucher haben hier die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Als Ort der interkulturellen Begegnung ist der einstige Leerstand zu einem lebendigen Ort der Kommunikation und Geselligkeit geworden.
Aus Leerstand wird Treffpunkt aller Kulturen
Jahrelang stand die Immobilie „Schlosshof“ am Ortsausgang von Diestedde leer. Zeitgleich mit dem Einsetzen des großen Flüchtlingsstroms in Syrien hat die Gemeinde Wadersloh das Gebäude erworben. Seitdem hat sich viel getan. Anfang November hat der „Willkommenstreff“ der Flüchtlingshilfe Wadersloh ihren Betrieb aufgenommen. Bewohner, Gäste, Mitarbeiter der Verwaltung, die Flüchtlingshilfe, sowie Vertreter der Politik weihten den Treffpunkt gemeinsam mit Tanz, Musik und Gesprächen ein. Zuvor wurden mit Unterstützung von 15 Flüchtlingen zwei Aufenthaltsräume im Erdgeschoss saniert.
Gemütlich ist es geworden: Ein Adventskranz und andere vorweihnachtliche Deko schmücken das warme Wohnzimmer, das jedem Besucher offen steht. Ein Fernseher zeigt aber auch die aktuellen Nachrichtenbilder des Kriegsgebiets in Syrien. Smartphone und Laptop sind die wichtigsten Kommunikationsinstrumente und der Draht zu Familienmitgliedern, die noch immer nicht aus dem Land fliehen können.
Deutschland ist zur zweiten Heimat geworden
Maher ist 31 und Ingenieur für Elektrotechnik. Während seines Studiums brach der Krieg aus. Seine Frau stirbt in den Kriegswirren. Er lässt seine beiden kleinen Kinder zurück und wagt die gefährliche Passage nach Deutschland. Seit einigen Monaten lebt er in Diestedde und hat kürzlich seine Aufenthaltsgenehmigung erhalten: „Ich möchte so schnell es geht meine beiden Töchter herholen“, sagt Maher. Derzeit ist er auf Wohnungssuche in Lippstadt, möchte unbedingt Arbeit finden, sein eigenes Geld verdienen und eine Zukunft in Deutschland für sich und seine Kinder aufbauen.
Durch eine enge Freundschaft mit der Familie Westermann aus Diestedde hat er bereits gut Deutsch gelernt und blickt nun optimistisch in die Zukunft. In der Vorweihnachtszeit besuchte er mit seinen neuen Freunden den Weihnachtsmarkt in Lippstadt und bestaunte den Nikolausumzug in Diestedde. „Wir kennen das Fest Weihnachten ja eigentlich nicht. Aber das Wort Familie! Ich habe nicht nur eine Familie in meiner alten, sondern jetzt auch hier in meiner neuen Heimat“, sagt er und freut sich vor allem auf den Jahreswechsel, der auch in Syrien gemeinsam mit Freunden und Bekannten gefeiert wird.
Liebe zur Musik verbindet die Kulturen
Auch Sheriff Jan hat die Flucht nach Deutschland gewagt. Durch seine Liebe zur Musik hat der Dreißjährige im „Willkommenstreff“ und auch im Dorf viele neuen Freunde gefunden. Seit dem Sommer musiziert er beim Projektchor Lichtblick. Ein unvergesslicher Höhepunkt: Der Auftritt als Phantom der Oper in einem ausverkauften Musical-Dinner, das im Frühjahr erneut aufgeführt werden soll. Musik verbindet eben! Die Chordamen und Leiterin Martina Schröer haben inzwischen mehrere Flüchtlinge herzlich in ihrer (musikalischen) Mitte aufgenommen.
Mit weiteren Musikern hat Sheriff außerdem die kurdische Band „Zara“ gegründet, die kürzlich auch in Münster auftrat. Wie Maher träumt auch Sheriff vom baldigen Frieden in seiner Heimat. Er möchte gerne sein Englisch-Studium in Europa fortsetzen und bemüht sich um eine Anerkennung seiner Studienleistungen.
In Diestedde wird Integration gelebt – nicht nur zur Weihnachtszeit
Im „Willkommenstreff“ finden Sheriff, Maher und die anderen Flüchtlinge nicht nur Ablenkung, sondern auch neue Freunde.
Obwohl die Sprachbarriere den oder anderen Besucher abschrecken mag: In dem kleinen Ort Diestedde wird Integration gelebt und ist nicht nur ein Wort. Besucher werden nicht nur zur Weihnachtszeit mit einem warmen Lächeln, Neugierde auf einen kulturellen Austausch und auf Wunsch mit einem Heißgetränk aus der Teeküche begrüßt.
Geöffnet ist der Willkommenstreff an der Langen Straße in Wadersloh-Diestedde Montag bis Freitag von 17.00 bis 21.00 Uhr sowie Samstag und Sonntag ab 14.00 Uhr.
Fotos/Text: B. Brüggenthies